Ich bin Lucia Matzke und seit Jahresbeginn kooperiere ich als associated artist mit Aktion Tanz. In Rahmen dieser Kooperation schreibe ich ab und zu Kurztexte darüber, was ich so als associated artist mache, die ihr auf unserem Blog verfolgen könnt.
Ich bin Tanzvermittlerin und eine aktive Tänzerin in der Berliner Krump Szene. Was Krump genau ist, woher es kommt und wie ich dazu kam, könnt ihr gerne in meinem letzten Beitrag nachlesen.
In diesem Text würde ich gerne auf ein Projekt aufmerksam machen, das ich super spannend und wichtig finde und an dem ich teilnehmen und das ich teilweise, in Form von einem Krump-Workshop, mitgestalten durfte: Das dancing politics 2022- Trainingsprogramm.
Das dancing politics Team bestehend aus Fanny Kulisch, Georgina Philp, Danja Erni und Ebru Altıntaş hat ein Programm konzipiert, das sich vor allem an Tänzer*innen und Tanzschaffende, sowie Personen aus der Politischen Bildung richtet.
Das ist genau die Schnittstelle, die auch mich schon immer sehr interessiert: Tanz und Politik- dancing politics.
In einem Grundlagentraining wollten wir gemeinsam ergründen, wie man Wissen aus beiden Bereichen zusammenbringen kann, um Räume zu schaffen, in denen sich Menschen mit verschiedensten Eigenschaften möglichst wohl fühlen können. Dies kann nur erreicht werden, wenn unterschiedlichste Formen von möglichen Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen mitgedacht und weitestgehend vermieden werden.
Auf den ersten Blick klang das total schlüssig und es erschien mir möglich, dass man mit dem nötigen Wissen auch in der Lage sein kann, solche Räume zu schaffen. Ich dachte, nach dem Grundlagen-Training habe ich dieses nötige Wissen und weiß, was ich alles mitbedenken soll. Außerdem beschäftige ich mich schon seit Jahren mit meiner eigenen Haltung und rassismus- und diskriminierungskritischen Ansichten und versuche diese auch in meiner Tanzpraxis zu berücksichtigen. Krump und Hip-Hop sind beides Kulturen, die u.a. aus Bewegungen entstanden, die sich gegen Rassismus, Diskriminierung und soziale Ungleichheit und dessen Folgen richten. Die Tanzformen sind somit in sich bereits politisch und wer Teil dieser Kultur ist oder sein will, sollte sich auf jeden Fall auch mit diesen Themen und den Hintergründen der Kultur auseinandersetzen. Das war mir auch schon vor dancing politics bewusst.
Dennoch habe ich extrem viel gelernt und musste nun feststellen, dass ich nach wie vor noch viele Leerstellen habe. So ist das ja eigentlich immer mit dem Wissen: Je mehr Du weißt, desto mehr weißt Du, wie viel Du noch nicht weißt.
Das Wochenende hat mir nicht, wie erhofft, Antworten und Erkenntnisse sowie tools mitgegeben, die mir helfen immer diskriminierungsfrei zu handeln oder zu sprechen.
Was ich vor allem mitnehme, sind neue Fragen. Fanny Kulisch vom dancing politics Team sagte mir, dass dies genau so gewollt sei. Es ginge nicht darum, irgendwelche Antworten zu liefern, sondern vielmehr darum, Impulse zu geben, die Denkprozesse anstoßen. Das permanente Fragen stellen (an sich selbst und andere), das Hinterfragen von Strukturen, Wissen und Erkenntnissen, ist Teil des Lernprozesses und sollte auch nie aufhören.
Rassistisches oder diskriminierendes Handeln passiert meistens unbewusst und vor allem ungewollt.
Mein ursprüngliches Ziel war es zu lernen, wie man einen Raum schaffen kann, der ein sogenannter „safe space“ ist, also ein sicherer Raum, der frei von Diskriminierung jeglicher Art ist. Wenn alle Vorkehrungen getroffen würden und so ein safe space geschaffen würde, wäre alles gut und das Ziel erreicht, nahm ich an. Doch im Kontext von Antidiskriminierungsarbeit, funktioniert dieser Ansatz leider nicht, denn auch wenn man bereits jegliche Maßnahmen für einen safe space ergriffen hat, kann Diskriminierung auftreten. Wir sollten also permanent kritisch und offen sein und bleiben.
Das ist eine Erkenntnis, die ich während des Trainings-Wochenendes hatte:
Der „safe space“ existiert nicht. Er ist eine Utopie /ein Ideal, das wir anstreben, aber nicht vollständig erreichen können. Trotzdem ist es wichtig, diesen zu benennen und dem Ideal näher bzw. so nah wie möglich zu kommen. Bewusst danach zu streben hilft, einen kritischen Blick beizubehalten und so ungewollte Grenzüberschreitungen/ diskriminierende Handlungen wahrzunehmen, um sie dann direkt anzusprechen und daraus bestenfalls lernen zu können.
Wichtig ist auch, dass alle sich darüber bewusst sind, dass das Streben nach einem safe space und das Vermeiden von diskriminierenden Handlungen/ Aussagen nicht in der alleinigen Verantwortung der anleitenden Person (von bspw. einem Workshop) liegen.
Alle, die sich im Raum (im weitesten Sinne) befinden, sind mitverantwortlich und sollten mit dazu beitragen, dass sich alle wohlfühlen. Sollte das einmal nicht so sein, sind alle mitverantwortlich mögliche Ursachen für Unwohlsein anzusprechen. Jede Person bringt andere Gegebenheiten und Sichtweisen mit und niemand kann an alles denken. Wir sind also aufeinander angewiesen und sollten offen für Hinweise, aber auch gutmütig mit uns selbst sein.
In der Theorie und in Sprechsituationen ist es einfacher Dinge zu thematisieren als in der Praxis/ im Tanz. Gleichzeitig bietet die Körpersprache vielmehr Freiraum für Variationen und Interpretationen, was auch eine Chance sein kann. Tanz fängt da an, wo Worte nicht mehr reichen. Gemeinsames Tanzen verbindet oft viel schneller und mehr als stundenlanges Miteinandersprechen. Das bedeutet nicht, dass das Sprechen über diese Themen nicht mehr wichtig ist, ganz im Gegenteil. Aber Tanzen hilft, nach so viel Diskutieren und dem Aufzeigen und Benennen von Differenzen, wieder zueinander zu finden.
Das Wochenende bot das ganze Paket: Tanzen, sprechen, lernen, diskutieren –
und ich bin sehr dankbar dabei gewesen zu sein.