Werkstatt Qualifizierung
Leitung: Linda Müller (Landesverband der Musikschulen in NRW e. V., Aktion Tanz), Gesa Rindermann (TanzZeit e. V.)
Impuls: Prof. Dr. Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss, Direktorin der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel
Intro
Aufbauend auf den Impulsvortrag von Prof. Dr. Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss zum Zertifikatskurs haben wir in unserer Werkstatt das Feld der Qualifizierung in den Blick genommen. Wie kann eine Struktur aussehen, um die Qualifizierung für Tanzvermittlung in Schulen zu systematisieren? Welche Rolle spielen dabei vorhandene Strukturen und Stakeholder? Wir öffneten das Feld für die Expertisen der unterschiedlichen Akteur*innen und diskutierten die Bedarfe der beteiligten Professionen (Kunstschaffende, Lehrkräfte der Schule, pädagogisches Fachpersonal, Kulturmanager*innen etc.).
Bezugnehmend auf das Modell „Tandem Tanz & Schule“ betrachteten wir die Notwendigkeit und die Potenziale eines “Zentralen Orientierungsrahmens” als mögliches Instrument, um vergleichbare Standards zu schaffen und Sichtbarkeit zu erzeugen.
Impuls
Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss teilte in ihrem Impulsvortrag „Qualifizierungen von Kulturvermittler*innen für Schule – Gedanken und Empfehlungen zu Strukturen und Inhalten” zentrale Erkenntnisse sowie Fragen zu Strukturen und Inhalten von zwei Qualifizierungsprojekten. Sie berichtete über den „Zertifikatskurs Künstlerische Interventionen in der Kulturellen Bildung“, der 2021/2022 gefördert von der Mercator Stiftung als Kooperationsprojekt der Universität Hildesheim mit der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel sowie Praxispartner*innen aus der Kulturellen Bildung stattfand. Der Kurs richtete sich ausschließlich an Kunstschaffende mit Vermittlungserfahrung. Im Anschluss daran stellte sie als best practice das Programm SCHULE:KULTUR! Niedersachsen vor, das sich sowohl an Kultur- als auch an schulische Akteur*innen richtet. SCHULE:KULTUR! Niedersachsen wird gefördert vom niedersächsischen Kultur- und Kultusministerium und wird in Kooperation der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel mit der LKJ und dem NLQ (Nied. Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung) durchgeführt.
Prozess
Foto: © Marc Doradzillo
Wer?
Um die Qualität der Angebote in Schulen sowie der Kooperationen nachhaltig zu sichern, bedarf es Qualifizierungsmaßnahmen für alle an der Durchführung von Projekten beteiligten Akteur*innen. Qualifiziert werden sollen sowohl Tanzvermittler*innen als auch Lehrkräfte, Schulleitungen, weiteres pädagogisches Fachpersonal und „Agent*innen“. Idealerweise werden die verschiedenen Akteur*innen bereits in den Qualifizierungsangeboten zusammengebracht und somit das Tandem-Prinzip bereits an dieser Stelle eingeführt. Auch für Studierende wurden verschiedene Möglichkeiten erörtert, Tanzvermittlung in die Ausbildung einzubeziehen. So könnte es in Zukunft selbstverständlich sein, dass ein Tanzstudium oder ein Studium der Theater- oder Musikpädagogik Multiplikator*innen für die Tanzvermittlung ausbildet. Auch im Lehramtsstudium – nicht nur in Sport und Musik, sondern in allen Studiengängen – könnten Tanzvermittlungsmodule verankert sein. Zwei aktuell anlaufende Beispiele für Qualifizierungsprogramme sind ein Pilotprojekt in Kooperation der Freien Universität Berlin mit TanzZeit Berlin, in dem Tanz in die Lehrkräftebildung der nicht-künstlerischen Fächer implementiert werden soll, sowie das Projekt „Tandem Tanz NRW – Zertifikatskurs für Tanz in Schule und Ganztag“ für Lehrpersonal und Kunstschaffende im Tandem.
Warum?
Unterschiedliche Professionen haben unterschiedliche Bedarfe – bzw. unterschiedliche Motivationen. Der Mehrwert einer solchen Qualifizierung stellt sich also für die unterschiedlichen Zielgruppen sehr unterschiedlich dar.
Für freischaffende Künstler*innen sollte eine Qualifizierung folgende Bedingungen erfüllen:
- zeitlich umsetzbar
- finanziell leistbar (ggf. Entgelt für „Freie“)
- örtlich erreichbar
- Zugang erlauben für Tänzer*innen, die keinen akademischen Abschluss nachweisen können
- ein anerkanntes Zertifikat beinhalten
Der Mehrwert aus der Perspektive Schule kann sein:
- Das Angebot stellt eine Unterstützung für Schulen dar.
- Mehrwert für Lehrkräfte im Berufsfeld (nicht persönlich):
eigene Erfahrungen generieren und Anreize schaffen, Tanz im Unterricht einzubetten - nicht „on top“: Kann für Lehrkräfte als Deputatsstunden abgerechnet werden
- nachhaltige Breitenwirkung in Schulen – Angebot für alle Schüler*innen
- feste/geplante Zeiten für Projektplanung
Die Bedarfe, Perspektiven und Ressourcen der Schulen müssen von Anfang an mitgedacht werden. Was sind die Notwendigkeiten? Wo finden vielleicht Dinge an Schulen NICHT statt, die wir im Tanz aber angehen können? Schlussendlich müssen die Entscheidungsträger*innen an Schulen als Bildungsakteur*innen selbst einen Impuls geben, sie müssen echtes Interesse daran haben, Tanz in ihrer Einrichtung zu stärken und Lehrkräfte zu Fortbildungen zu entsenden. Fehlt dieses Commitment von Seiten der Schulen, wird auch eine Kooperation nicht von Erfolg gekrönt sein.
Was? + Wie?
Die Aus- bzw. Weiterbildung sollte methodisch/didaktisch an die Erwachsenenbildung angelehnt sein – partizipativ statt frontal:
- modular/als Baukasten (Formate, bewegliche Modelle)
- Theorie & Praxis verbinden – viel Experimentierraum, nicht zu akademisch
- Lernen im Tandem (voneinander lernen) – Zeit für Sensibilisierung, Austausch und Prozess
- (tanz)stiloffen sein
Mögliche Inhalte/Themen könnten u. a. sein:
- Kooperationswissen
- Tandempraxis/Rollenfindung/Modi der Zusammenarbeit
- Tanz als Kunstform/Tanz als Methode (in anderen Fächern)/Fachinhalte als Impuls
- Erweiterte Vermittlungskompetenzen
- Partizipation – Entscheidungsprozesse
- Interesse
- Konflikt/Krisenmanagement
- Reflexion & Evaluation
Wo? + Von wem?
Zunächst mit einem Fokus auf Institutionen, in denen Wissen, Strukturen und Angebote bereits vorhanden sind und die explizit Interesse haben, sollen regionale Qualifizierungsnetzwerke entstehen, in denen potenzielle Partner*innen und Verbündete an einen Tisch gebracht werden, z. B. Schulen, Hochschulen, Ministerien, Stiftungen, Zentren für Lehrkräftefortbildungen und Kulturinstitutionen. Initiatorin zur Entwicklung dieser regionalen Qualifizierungsnetzwerke könnte Aktion Tanz sein. Die beteiligten Institutionen bilden eine Art „Innovationslabor“ und einigen sich auf einen strukturellen Rahmen, auf Eckpunkte und „must have’s“. Im Anschluss können weitere Partner*innen – z. B. für die Anerkennung/Zertifizierung – dazu geholt werden.
Zentral bleiben die Fragen, wer welches Ziel hat, wer welche Rolle ein- und Aufgabe übernimmt und wie die Struktur des Netzwerkes beschaffen ist. Ebenso zentral ist natürlich die Frage nach der Finanzierung der Qualifizierungsangebote und den Kosten für die Teilnehmenden. V. a. für die Kunstschaffenden sollte das Angebot kostenfrei sein.
Fotos: © Jennifer Rohrbacher
Qualifizierungen können sowohl an Hochschulen und Universitäten stattfinden als auch als Inhouse-Fortbildungen in Schulen, Zentren für Lehrkräftefortbildungen und Kulturinstitutionen. Um hier ein Zertifizierungsmodell zu entwickeln, muss geklärt werden, wer nach welchen Kriterien zertifiziert und welche Anerkennung in welchem Beruf erforderlich ist (z. B. Lehrkräftefortbildung). Auch für ein Zertifikat gibt es also aus unterschiedlichen Perspektiven verschiedene Anreize: Welchen Mehrwert hat dies für wen? Eine Zertifizierung könnte auch auf überregionaler Ebene gedacht werden:
Zentraler Orientierungsrahmen
Die entstehenden regionalen Netzwerke teilen „bottom up“ ihr Wissen und tauschen sich auf überregionaler Ebene aus – im Prozess ebenso wie in der Evaluationsphase. Auf überregionaler Ebene entsteht daraus ein Zentraler Orientierungsrahmen, der wesentliche Kriterien eines Qualifizierungsangebotes festhält, zu denen eine Einigung besteht und die übertragbar ist. Dieser Zentrale Orientierungsrahmen kann die Basis für einen Transfer in weitere Bundesländer bilden.
Alle Teilnehmenden sind sich einig, dass für ein zentrales Modell ein zentrales Ziel formuliert werden muss. Möglichst viele Bedürfnisse möglichst aller Beteiligten müssen berücksichtigt werden. Die Formulierung eines gemeinsamen Ziels kann sich auf das Tandem-Teaching beziehen, auf die Offenheit in den Tanz-Stilen und darauf, dass Vorurteile und Widerstände abzubauen sind.
Header Foto: © Marc Doradzillo