Kommunikationsfluss
▶ Sprache, Formulierungen, Stimme
Für die digitale Vermittlung entfällt die direkte Kommunikation über den Körper und das Spüren von Atmosphären. Der Kommunikationsfluss ist eindeutig erschwert. Häufig führen die eingeschränkten Wahrnehmungsmöglichkeiten zu einer stärkeren Konzentration auf die Sprache. Das Anleiten über Worte gewinnt an Bedeutung. Dies betrifft das Formulieren von Aufgabenstellungen für Break Out Rooms genauso wie das Führen durch improvisatorische Zeiteinheiten mit und ohne Kamerabild.
▷ Beispiel 1 | Formulierungsmodi
Verwendung verschiedener Sprechweisen, wie z.B. Assoziative Sprache, Fachsprache, Adjektive, kinästhetische Bildsprache, Referenz zu Alltagsbewegungen etc.
WELCHE ROLLE SPIELEN SPRACHE, WORTWAHL UND SOUND ALS BRÜCKEN DES ERSCHWERTEN KOMMUNIKATIONSFLUSSES?
In Zoom wird die visuelle Vermittlung von Bewegung durch kleine Bildschirme, viele Teilnehmer:innen und instabile Internetverbindungen z.T. eingeschränkt und erschwert. Auch werden oft die Teilnehmenden während der tänzerischen Praxis stummgeschaltet, um Störgeräusche zu reduzieren, was gegebenenfalls spontane (Verständnis)Fragen verringert oder gänzlich unterbindet. Entsprechend wichtig sind möglichst klare verbale Formulierungen der Aufgaben seitens der anleitenden Tanzschaffenden bzw. Vermittler:innen.
Sprechen und Sprechweisen gewinnen an Bedeutung für das Tanzen. Wie möchtest du ansprechen? Welche Art des Sprechens entspricht deiner Art der Vermittlung und der Beziehung zur Gruppe?
▷ Welche Formulierungsmodi bieten sich an, welche sind situationsadäquat?
▷ Kommt die gleiche Aufgabe in unterschiedlichen Formulierungs-Modi auf körperlicher, emotionaler oder menschlicher Ebene vielleicht anders bei den Mitwirkenden an?
Beispiel anhand des Themas Präsenz/ Fokus
Metaphorisch: Stellt euch jetzt in den vier Ecken eures Raumes je eine Person vor, die euch von dort beim Tanzen zuschaut.
Fragend: Könnt ihr mal versuchen, euch vorzustellen, dass jetzt in den vier Ecken eures Raumes je eine Person sitzt und euch von dort zuschaut? Wie würdet ihr euch bewegen, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen?
Einladend: Wäre es möglich, dass ihr mal versucht, euch vorzustellen, dass jetzt in den vier Ecken eures Zimmers je eine Person sitzt und euch von dort zuschaut?
Direktiv: Stellt euch jetzt in den vier Ecken eures Raumes je eine Fee vor, die euch von dort zuschaut. Tanzt so, dass ihr deren Aufmerksamkeit erlangt. Wählt jetzt eine Ecke aus und bleibt während euren Bewegungen immer in Kontakt zu der Person in dieser Ecke. Lasst sie nicht aus den Augen und bewegt euch gleichzeitig durch den Raum!
Explorativ: Probiert mal aus, mit welchen Bewegungen ihr dieser Person verschiedene Facetten davon vermitteln könnt, wie ihr heute so drauf seid.
Reflexiv: Welche Bewegungen entstehen denn gerade bei euch? Sind diese eher fließend oder zurückhaltend oder vielleicht angriffslustig oder noch ganz anders?
Optional: Jetzt könnt ihr eure Energie entweder zu einer Person senden oder die Personen wechseln oder eure Energie zu allen gleichzeitig senden.
Varianten von Kombinationen zum Vergleich
Direktiv-explorativ: Probiert aus, wie ihr euch von den Muskeln aus bewegen könnt.
Einladend-direktiv: Ich möchte euch bitten, euch jetzt von den Muskeln aus zu bewegen.
Einladend-explorativ: Ich möchte euch bitten, jetzt mal auszuprobieren, wie es ist, wenn ihr euch von den Muskeln aus bewegt.
Fragend: Wie könnt ihr euch von den Muskeln aus bewegen?
Explorativ-direktiv: Probiert jetzt aus, wie ihr euch von den Muskeln aus bewegen könnt.
Maximal fragend-einladend-explorativ: Ich würde euch gerne dazu einladen, auszuprobieren, was geschieht, wenn ihr versucht, euch von den Muskeln aus zu bewegen, was verändert sich?
Maximal direktiv: Bewegt euch jetzt von den Muskeln aus.
▷ Beispiel 2 | Sprechen und Anleiten für Sehbeeinträchtigte oder wenn die Kamera nicht genutzt wird
Welche Formen der verbalen Instruktion und Tanzanleitung werden gefunden?
Was kommt auf der anderen Seite an?
▷ Beispiel 3 | Sound and Movement bei ein- und ausgeschalteter Kamera
Welche Art des Sprechens lädt (den Körper) zu Bewegung ein? Wie gelingt der Einsatz akkustischer Signale? Mit Sounds den Rhythmus und die Qualität der Bewegung vermitteln und unterstützen, sodass die Teilnehmenden nicht immer die anleitende Person beobachten müssen, sondern den Rhythmus hören!
Video: Gitta Barthel mit Wiebke Dröge – „SOUND AND MOVEMENT“: Gespräch und Praxisbeispiele
▶ Veränderte Zeitverläufe und Aufmerksamkeitsdauer
Wer seinen Unterricht in den digitalen Raum verlagert, wird schnell bemerken, dass gewohnte Zeitfenster für einzelne Unterrichtsabschnitte entweder ausgedehnt oder deutlich verkürzt werden müssen. Die zeitliche Neustrukturierung von Unterrichts- und Aufmerksamkeitsphasen bedarf eigener praktischer Erfahrungswerte. Hier braucht es neben etwas Geduld auch ein Loslassen vom eigenen perfektionistischen Anspruch. Die stimmige Balance findet man am besten gemeinsam mit den eigenen Teilnehmenden heraus.
▶ Feedback einholen
Da viele personenbezogene Informationen über den Bildschirm nicht mittransportiert werden, kann es hilfreich sein, häufiger Feedback zu geben und umgekehrt auch welches einzuholen.
- Wie geht es euch?
- Braucht ihr eine Pause?
- Ist das verständlich?
- Kommt ihr platzmäßig zurecht?
- usw.
Umgekehrt macht es ggf. Sinn, Feedbacks mit konkreter Namensnennung zu geben bzw. einen Hinweis zu geben, auf was und an wen sich Gesprochenes richtet.
▶ Eigene Handlungen kommentieren
Für Teilnehmende ist es angenehm, wenn die eigenen Vorgehensweisen kommentiert und dadurch nachvollziehbar werden, wie etwa transparent zu machen, was man jetzt vorhat oder gerade tut, wie z.B.:
- Ich wechsle jetzt die Musik. Ihr bleibt bitte bei der Aufgabe.
- Ihr macht bitte weiter während ich nah an der Kamera bleibe um nach jedem einzelnen von euch zu schauen.
- Es ist für den kommenden Teil nicht notwendig, auf den Bildschirm zu schauen.
- Schreibt bitte ein oder mehr Adjektive in den Chat, zu dem wie ihr den letzten Abschnitt erlebt habt.
- etc.
Zu Beginn erscheint diese Vorgehensweise gegebenenfalls befremdlich. Man sollte sich an dieser Stelle bewusst machen, dass auf der anderen Seite dadurch mehr Transparenz entsteht. Umgekehrt werden die Teilnehmenden dafür sensibilisiert, dass man selbst ebenfalls viel weniger Überblick hat als sonst.
▶ Weniger Spontaneität. Mehr Planung.
Erfahrungswerte aus dem partizipativen Kontext zeigen, dass digital vermittelter Tanzunterricht weitaus mehr Vorbereitung und Planung braucht als sonst. Dies betrifft neben der zeitlichen Antizipation von Unterrichts- und Probenabschnitten vor allem technische Erklärungen für die Gruppe, Vorbereitungen zur Musikauswahl, den Umgang mit digitalen Tools und das Einplanen möglicher Alternativen falls technisch etwas nicht funktioniert.
DIESE VERMITTLUNGSINHALTE KOMMEN FÜR DIE DIGITALE TANZARBEIT HINZU:
- Kameraeinstellung
- Bildschirmeinstellung (Galerieansicht, Anpinnen, Bildschirm teilen etc.)
- Ankündigung neuer Unterrichtsabschnitte
- Mikrofoneinstellung
- Beginn deutlich ankündigen
- technische Einstellungshilfen
- eigene Vorgehensweisen ankündigen und nachvollziehbar machen
- Den Abschluss und das Schließen der Onlineanwendung ankündigen und ggf. ein Ritual zur Verabschiedung etablieren.
- ggf. Gruppeneinteilungen
- ggf. Gruppenarbeit in Break Out Rooms
- ggf. Chatnutzung
- ggf. Verwendung zusätzlicher Medien (Padlet, Spotify, Zentimeter etc.)
- ggf. Teilen von Links für die Praxis
- ggf. Nutzung von Einrichtungsgegenständen im Privatraum
- ggf. zusätzliche Zoom Einstellungen wie virtuelle Hintergründe, Green Screen etc.
▷ Beispiel: Arbeit mit Breakout-Rooms
Ankündigen: Als nächstes möchte ich euch bitten, in Kleingruppen eine kurze Choreografie zu erarbeiten. Dafür möchte ich Breakout-Rooms nutzen.
Fragen: Kennt ihr Breakout-Rooms? Welche Endgeräte benutzt ihr?
Erklären: Im Breakout-Room könnt ihr euch sehen, hören und zusammenarbeiten. Gegebenenfalls werden spezielle Handhabungen für Tablets, IPads, Smartphones etc. erklärt.
Zeitfenster ankündigen: Ihr habt xy Minuten Zeit zur Erarbeitung eurer Choreografie. Ich hole euch dann wieder zurück in das Haupt-Meeting. Dafür braucht ihr nichts zu tun. Wenn ihr Fragen habt oder früher zurückkommen möchtet, könnt ihr auf „Raum verlassen“ oder „Zurück ins Hauptmeeting“ klicken. Ansonsten seht ihr oben am Bildschirmrand den Countdown der letzten Minute und kommt dann automatisch in das Haupt-Meeting zurück.
Musiknutzung durch die Teilnehmenden: Die Musik könnt ihr selbst aussuchen und bei euch zu Hause anstellen. Alternativ einen Link zu Youtube in den Chat schreiben.
Gruppenaufteilung kommunizieren: Seid ihr einverstanden, wenn ich euch in Gruppen einteile oder möchtet ihr mit bestimmten Personen zusammenarbeiten?
Nachvollziehbar machen: Wenn ich den Zufallseffekt des Computers nutze, würde es am einfachsten gehen. Ich kann auch Personen gezielt einander zuordnen, das dauert aber länger. Ihr würdet mir sagen, wer zusammenarbeiten möchte und ich teile dann die Gruppen ein.
Ankündigen: Ich schicke euch jetzt in die Räume. Bitte wartet einen Moment, es kann dauern, bis alle in ihren Räumen landen.
Alternativen vorbereiten: Gibt es eventuell Personen, die aufgrund von Internetproblemen nicht in ihre Räume hineinkommen oder aufgrund vorheriger Abwesenheit nicht zugeordnet sind? Als Plan B z.B. diese Personen noch zu bereits bestehenden Räumen zuordnen.
Fragen: Gibt es Personen, die bei dieser Phase nicht mitmachen möchten? Als Plan C z.B. anbieten, dass sie so lange ihr Video ausschalten oder Plan D, dass sie rausgehen aus dem gesamten Meeting und zu einer vereinbarten Uhrzeit wieder hineingelassen werden.