Stimmen und Bedarfe von Zielgruppen
„Als Tänzer*in der analogen Gruppe
war es ein komisches Gefühl,
sich auf das Digitale einzulassen, so,
als würde man der eigenen Gruppe den Rücken kehren.
Und es stellt sich die Frage, wie kommt man wieder zurück in die Gruppe?
Präsenz im analogen Raum und Fokus auf den digitalen Raum
ist fast ein Widerspruch
– aber auch eine Herausforderung zum Ausprobieren.“
Das folgende Material stellt Eindrücke von fünf Austauschkreisen zu unterschiedlichen Zielgruppen dar, die im Rahmen der Breakout-Sessions der „Reconnect Do & Share XXL_hybrid“ Veranstaltung am 11.12.2021 gesammelt wurden.
Wie möchtest Du teilnehmen? – Jede(r) hat die Wahl?
Ein Beispiel aus der Praxis einer Kollegin zeigt, dass der Schutz von vulnerablen Gruppen nicht automatisch bedeuten muss, dass sie die Teilnahme vom digitalen Raum aus bevorzugen.
Ein Teilnehmer mit Trisomie 21 mit seiner Mutter fühlten sich mit dem Online-Format weniger wohl. Sie bevorzugten es mit der anleitende Person gemeinsam im Tanzstudio zu sein. Der Rest der Gruppe war digital zugeschaltet.
Auf der sicheren Seite
Für wen welche Seite die bessere, sicherere, leichtere ist, lässt sich nur individuell beantworten. Ein großes Argument für die Teilnahme von zu Hause aus ist der Abbau von Einstiegs- und Teilnahme-Barrieren. Gute Gründe dafür wurden genannt als eine Möglichkeit:
• trotz Bewegungseinschränkungen vom geschützten Zuhause aus teilzunehmen
• sich keine Gedanken darüber zu machen, ob man den anderen „im Weg“ ist
• besser auf sich selbst und die eigene Kraftreserven achten zu können
• überhaupt den ersten Schritt zu machen bevor man sich präsent irgendwo zeigt
• nach einer Krankheits- oder Rehaphase den Anschluss zu einer Gruppe nicht zu verlieren
• wenn man sich den Weg zum Studio aus welchen Gründen auch immer gerade nicht zumuten möchte
• die Präsenzgruppe als Motivation zu sehen, dort bald (wieder) anzudocken
• soziale Ängste schrittweise abzubauen
• etwas zu beginnen, wovon man glaubt, dass man sich den anderen noch nicht zumuten will (Kondition, Erfahrung, Körperbild, sozialer Status, …)
• kontinuierlich dabei zu bleiben trotz Urlaub, Geschäftsreise oder anderen Gründen der Abwesenheit
• einen begonnenen kreativen Prozess fortzusetzen, nichts zu verpassen und zugleich für die Gruppe da zu sein
• durch die Energie der analog agierenden Gruppe motiviert zu sein bald wieder zu kommen
Autonomie und Führung im Zoom-Raum. Beispiel Pin-Funktion.
Wenn der/ die Host bestimmte Personen mit der Zoomfunktion fokussiert, können digital Teilnehmende nicht eigenständig andere Personen pinnen, die sie gern näher sehen möchten bzw. auf die sie ihre Bewegungen beziehen möchten. Für Menschen mit Sehbeeinträchtigung kann es zum Beispiel essentiell wichtig sein, die Anzahl der Kacheln auf dem Bildschirm selbstständig zu bestimmen.
In der Gruppe kann für das Pinnen besprochen werden:
• Für wen und für welche Momente des Tanzens ist das Nutzen der Funktion des Pinnens hilfreich und unterstützend?
• Wann ist es inspirierend und nützlich, dass die leitende Person hierfür die Führung übernimmt?
Inhaltlicher Impuls
• Das Thema Licht ist inspirierend und hat einen hohen Aufforderungscharakter für Kinder. Tanzen mit kleinen Lämpchen, Lichtern im Raum und um den Körper. Den eigenen Raum abdunkeln.
• Dialoge mit ‚Frage- Antwort‘ mit Bezug zum eigenen Raum und zum Bildschirm sind eine gute Lösung.
• Frage: Für welche Altersgruppe ist das Wechseln zwischen dem eigenen Raum und dem digitalen Raum möglich?
• Konkrete Aufgabenstellung wie z.B. Bewegungsdialoge zwischen beiden Seiten, die als Ball-fangen-und-zurück-werfen“ beginnen und enden und vorgesetzt werden.
• Die Gegebenheiten des Raums nutzen in dem die Kinder sich bewegen, wie z.B. Sofa, Stuhl, Bildschirm. Material schafft konkrete Bezugsmöglichkeit, Halt und Orientierung. Für sehr junge Kinder sind sie jedoch zu ablenkend.
• Reduktion auf ein Körperteil z.B. die Hand in Bewegung bringen, dann langsam den Rest des Körpers einbinden.
• Sich nacheinander zu bewegen als eine Art Domino-Effekt ist eine Möglichkeit um beide Räume bzw. Kinder auf beiden Seiten ganz konkret miteinander in Interaktion zu bringen.
Frage: Wo und wie erleben wir das Hybride beim Tanzen mit Kindern?
• Wann fühlt man sich dazugehörig? Diese Frage auch an die Kinder richten, ihre Perspektive verstehen und daraus Praxisformen ableiten.
• Hybride Tanzvermittlung kann in der Arbeit mit Kindern schwierig sein, da die Herausforderung ist, allen gerecht zu werden, analog und digital.
• Gute Erfahrungen mit: Zwei Kinder im Raum, die anderen zugeschaltet.
• Hybrid birgt die Schwierigkeit der Geräuschkulisse; es bedarf hier klarer Regeln vor allem für jene Kinder, die analog dabei sind.
• Zu klären: Wo liegt der Schwerpunkt beim eigenen hybriden Unterricht? Auf die Kinder analog im Raum oder digital? (…)
• Bei großen Analog-Gruppen ist die Gruppendynamik stark. Das können die digital Teilnehmenden nicht empfinden.
• Akzeptanz entwickeln für den Unterschied zwischen online und analog. Es hilft, keinen Unterschied zu machen in der Ansprache zwischen online und analog teilnehmenden. Es kann sonst ein Gefühl von Ausgrenzung entstehen. Die Art der Ansprache ist wesentlich um alle gleichermaßen einzubeziehen. Hier darf man gern experimentieren und Neues ausprobieren.
• Beide Seiten lernen voneinander!
Eindrücke aus einem Austauschformat zu hybriden Tanzangeboten im ländlichen Raum
Informieren
Wie können Angebote auf dem Land besser publik gemacht werden?
Wie können potentielle TN erreicht werden bzw. Multiplikatoren gefunden werden?
• Schnupperkurs an den Schulen anbieten. Bedenken, dass Schulen via Email zu erreichen meist nicht funktioniert);
• Präsenz bei einer Lehrer-Fortbildung
• Plakate in der Region aushängen (Bäcker, Läden, Gemeindezentrum, …).
• Persönliche Kontakte an Schulen aufbauen. Wer ist Ansprechperson für Kultur?
Projekte beantragen und anbahnen
Bei Anträgen unbedingt die Vernetzungsarbeit als integraler teil des Projekts mit beantragen. Vernetzung in Form des konkreten Kennenlernend von Menschen an Schnittstellen, aber auch Kennenlernen potenzieller Teilnehmer:innen ist besonders im ländlichen Raum extrem wichtig!
Voraussetzung für Veranstalter: Gute LAN Verbindung!
Man braucht ausreichend Geld für die Anschaffung von Technik und den Einsatz von Fachkräften um damit inhaltlich frei arbeiten zu können. Die Teilnehmenden sollen im Mittelpunkt der Interaktion stehen!
Eine gute Teilnahme steht und fällt mit der Größe des Bildschirms und Übertragungsbandbreite (Internetverbindung) der TN – insbesondere am Land oft zu wenig Netz. Das gilt es vorab zu klären und Lösungen zu finden, wie z.B. in Tandems zusammen zu gehen in einem gut vernetzten Haushalt.
Notlösung während einer laufen Tanzstunde: Mobiler Hotspot (bei 4G) vom Handy rettet die Sitzung!
„Es braucht viel Erfahrung mit der Technik, bis es auch möglich ist inhaltliche Methoden zu entwickeln. Technische Logistik nimmt viel Kraft und Zeit.“
Das technische Setting und deren Anwendung ist besonders für die digital Teilnehmer:innen von Bedeutung, z.B. um situativ durch Kameraschwenks innerhalb der Session relevante Bewegungsmomente, Sprechende oder Details zu zeigen.
„Die Kameraeinstellungen sind für eine bessere Wahrnehmung der eigenen digitalen Teilnahme sehr wichtig! Das wird verstärkt, in dem wir online sehen, wie wir im im Raum/Präsenz sichtbar sind – gleichzeitig uns und die Leute im Raum sehen. Also immer mit zwei Kameras wobei eine Kamera immer auf die Kacheln gerichtet ist, um uns unsere Teilnahme/Präsenz zu zeigen.“
O-Töne zu hybriden Praxiserfahrungen:
▶ „Die eigene Einstellung ändern. Sich zugehörig fühlen: ICH BIN DABEI !
▶ „Was gut funktioniert ist zu zweit sind Aufgaben auf der Basis Agieren – Reagieren.“
▶ „Überhaupt aktiv zu werden, statt rumzusitzen und zu schmollen“
▶ „Sich wiedersehen ist schön und wichtig- auch am Bildschirm.“
▶ „Den Umgang mit der Technik allmählich lernen.“
▶ „Genuss und Kontakt sind von der funktionierenden Technik abhängig.“
▶ „Über das wechselseitige Üben kann Energie aufgebaut werden.“
▶ „Die Energie aller Beteiligten ist spürbar.“
Von Zuhause aus teilnehmen
▶ „Es war ein Genuss, alleine im eigenen Zimmer zu tanzen.“
▶ „Ich habe mich alleine mehr getraut, habe mehr experimentiert, habe ausgeblendet, dass andere mich sehen können, habe Hemmungen verloren.“
▶ „Es ist ein großer Lernprozess, als Einzelne zu Hause mit einer Gruppe im Studio konfrontiert zu sein.“
▶ „Ich habe das eigene Zimmer anders wahrgenommen.“
▶ „Mut fassen, etwas auszuprobieren. Sich mehr zutrauen in den eigenen vier Wänden. Sicherheit im Raum. Sich blind bewegen können.“
▶ „Was hilft dabei zu bleiben ist die Aussicht sich irgendwann life zu treffen.“
Vermittlungsperspektive
▶ „Es ist ein Unterschied, ob ich die Gruppe kenne vom realen Kontakt oder nur über Zoom: Bei unbekannten Menschen bleibe ich über Zoom eher Beobachterin.“
▶ „Ich muss bei beiden Gruppen gucken, dass niemand verloren geht.“
Eindrücke zu Erfahrungen und zur Planung
Methodisch wichtig: Setting klären! Wer macht was?
• Ein Stressfaktor kann die Technik und die Zeit für die technische Einrichtung sein: Im Idealfall wird ein multiprofessionelles Team mit aufgeteilten Zuständigkeiten zusammengestellt.
• Zeit für die technische Einrichtung und das Ausprobieren einplanen! Der Austausch über Tipps für einfache technische Möglichkeiten ist wichtig.
• z.B. Präsenzgruppe-Gruppe im Teamteaching Person1/ Person 2 organisieren. P1 fokussiert sich auf den digitalen Raum und deshalb weniger Kontakt zu Gruppe vor Ort. P2 fokussiert auf sich auf die Gruppe vor Ort.
• Die Person, die sich hauptsächlich auf die Präsenzteilnehmenden konzentriert, muss Rücksicht auf die Moderation der Anleiterin für den digitalen Raum nehmen – d.h. auch leiser sein, da man sonst zum Störfaktor wird.
• Präsenzgruppe: Dialog und Anleitung mit und durch Präsenzleitung wird tendenziell weniger. Es wird eher mitgetanzt und mitgemacht. Digitalen Raum über Beamer zuschalten – z.T. auch als Auswahl (da bei zu vielen Kacheln Wahrnehmung/Fokussierung schwierig). Das heisst durch die Pin- Funktion hat auch die analoge Gruppe einen Fokus beim Blick in den digitalen Raum.
• Die Begegnung analog-digitaler Raum fehlt zum Teil, kann aber durch Impulse und Inspiration von beiden Seiten wird aufgenommen werden.
• Verbindungen schaffen mit Teilnehmenden, die sich untereinander und ggf. die Kursleiter*in und deren Arbeitsweise noch nicht kennen. Zeit dafür einplanen und ggf. ein eigenes Treffen dafür veranstalten.
• Struktur hilft! Kommunikation, um zu klären um was es geht:Training/Dance Class, freies Tanzen oder künstlerisches Projekt?
• Atmosphäre zum Wohlfühlen schaffen!
• Eine große analoge Gruppe wird vom digitalen Raum weniger wahrgenommen.
„Viel selbst ausprobieren,
auch ob und wie es mit dem Platz geht,
auch das Ausprobieren von verschiedenen Raumebenen.“