Circulation
Für kontaktfreie Tanzformate braucht es Kommunikationsbrücken, die es ermöglichen den inhaltlichen, künstlerischen und persönlichen Dialog in Fluss zu bringen. Besonders für Gruppen, die kreativ- gestalterisch arbeiten, eignet sich der Einsatz multimedialer Verbindungsmittel und virtueller Austauschorte.
Wie wird die digitale und analoge Weitergabe von Bewegungs-, Bild-, Audio- und gegenständlichem Material bewerkstelligt?
Wie werden deren Bearbeitungsprozesse in Gruppen organisiert?
1. Digitale Software und Medien inspirieren sowohl die Tanzvermittlung als auch das Arbeiten an künstlerischen Projekten. Zudem entstehen neue Strategien für deren Einsatz in Performances. Medien dienen vermehrt als Schnittstelle zur Begegnung, zum Informationsaustausch als auch zur Weitergabe und Weiterbearbeitung von gefundenem Bewegungsmaterial.
2. Werden sie auf einladende Weise eingesetzt, können Medien helfen, den Zusammenhalt einer Gruppe zu stärken und die Phasen des Prozesses transparent und partizipativ zu gestalten.
3. Für Performances ergeben sich entweder hybride Formate für ein Live-Setting oder entstandenes Bewegungsmaterial wird für bestimmte Medien aufbereitet bzw. fließt in diese ein, wie z.B. als Tanzfilm.
In den folgenden Beispielen werden diese drei Aspekte mit je unterschiedlicher Gewichtung thematisiert.
Beispiel 1 | Digitale Medien als Teil von Performance
Im Gespräch geht es um den Einsatz von Medien in der Prozessarbeit und um den Gebrauch von Medien als Teil einer Performance. Graham Smith beschreibt seine Erfahrungen und Entscheidungen anhand der Performance HALTEN, Theater Freiburg, School of Life and Dance. Für beide Bereiche seiner konkreten künstlerischen Arbeit kommen diverse Medien zum Einsatz.
Kurzfilme zum Projekt: Trailer Halten, Zoom to Real Life
Audio Walk / Video Walk / Zoom als Proben-Showing / Feedback untereinander via Padlet / Warum zwei Padlets? / Umgang mit Medien als Teil von Performance im ÖR / Medien richtig timen/ 3D-Kamera/ X-Box
Beispiel 2 | Analog und mit QR Code digital im Park
Video: Alexandra Benthin – Senioren + Jugendliche: Tanzspaziergänge
Tanzspaziergänge unter Einbezug digitaler und analoger Medien
Alexandra Benthin verbindet in ihren Angeboten rund um die Tanzspaziergänge analoges mit digitalem. Auf diese Art gelingt es ihr, dass sich ihre Teilnehmenden autonom im öffentlichen Raum bewegen können. Zudem findet sie für ihr Konzept verschiedene Lösungen um unterschiedliche Zielgruppen adäquat anzusprechen.
Beispiel 3 | Ein erstes großes Projekt via Zoom im Team
HALT.LOS ist eine generationsübergreifende Projektgruppe, die vom künstlerischen Team diverse Möglichkeiten zur digitalen und analogen Mitgestaltung erhält. Padlet, Postsendungen und weiteres kommen zum Einsatz. Hierüber entstandenes Material wird auch als Teil der späteren Performance und Filmarbeit antizipiert. Im Gespräch mit Claudia Hanfgarn geht es um erste Erfahrungen mit Zoom für einen künstlerischen Gestaltungsprozess. Dabei schildert sie auch, auf welche Weise die Beteiligten zur kreativen Nutzung weiterer Medien angeregt werden.
Beispiel 4 | Gemeinschaft bilden, Gruppendynamik, Projekt
Video: Alexandra Benthin – tanzwerk Bremen
Bagage ist ein generationsübergreifendes Ensemble, das sich nur einmal live getroffen hat, bevor es digital sein erstes Projekt gestaltet. Welche ästhetische Form braucht ein Tanztheater, das in einem Garten stattfindet? Welche ästhetische Form braucht ein Tanztheater für einen Film? Und wie geht Alexandra Benthin damit um, bis zum Schluss nicht zu wissen, ob es eine analoge Aufführung geben wird? Im Gespräch teilt sie auch ihre analogen wie digitalen Strategien zur Gruppendynamik und Beziehungspflege.
Mögliche Methoden zur kreativen Interaktion
▶ Chatfunktion bei Zoom
a. Als Reflexions-Tool:
Der Chat schafft schnelle und spontane Möglichkeiten des schriftlichen Austausches und kann gegebenenfalls einen Teil des sonst eher verbal stattfindenden Feedbacks übernehmen. Texte aus dem Chat können zusätzlich gespeichert und archiviert werden, später in Ruhe nochmals gelesen und ausgewertet werden.
b. Die Chatfunktion lässt sich gut als kreative Schnittstelle einsetzen, um Scores weiterzugeben und diese dokumentarisch festzuhalten:
Dafür gilt es einen Bewegungs-Score zu erfinden und diesen in den Chat zu schreiben. Eine andere Person nimmt den geschriebenen Score und setzt ihn in Bewegung um usw. Alle schreiben ihre Scores oder Partituren für eine Choreografie in den Chat, der gespeichert und allen zugänglich gemacht werden kann.
▶ Speed-Chat zu einer Frage oder Praxiseinheit
Jede:r hat 2 Minuten Zeit, um ein Feedback zu geben, z.B. die Antwort auf eine Frage oder ein Wort in den Chat zu schreiben, welches für sie/ihn besonders zentral, prägnant für die Praxiseinheit war. Die Zeitdauer wird durch eine begleitende Musik gerahmt.
2 Minuten Zeit geben, damit alle alles lesen können. Für Anleitende wie Mitwirkende entsteht ein Überblick von Erfahrungen, Wahrnehmungen, Assoziationen, Wichtigkeiten usw. Gleichzeitig wird umfangreiches Material generiert, welches gespeichert, ausgewertet und weiter verwertet werden kann.
▶ Padlet- multimediale digitale Pinnwand
In einem Padlet können die Beteiligten mit Audio-, Video- und Bildschirm-Rekorder arbeiten, sich mit einer Kamera filmen, gemeinsam ein Bild zeichnen oder Material aus YouTube oder Spotify in die Arbeit integrieren u.v.m. Alle Materialien können sofort im Padlet gespeichert werden, prozesshaft und kollektiv weiter bearbeitet und weitergegeben werden.
▷ 1. Phase: Jede:r Teilnehmende entwickelt einen Score zum Thema Berührung
- Versuche dir Berührungen zu verschaffen, indem du Körperkontakt mit Objekten in deiner Umgebung herstellst (Boden, Wand, Tür, Mobiliar).
- Wie kann sich dein Körper mit seinen Flächen wenden und winden und sich in einen Kontakt hinein bewegen?
- Gleiten dabei deine Füße über den Boden oder streicht der Boden deine Fußsohlen?
- Stützt sich deine rechte Hand am Boden ab oder stützt sich der Boden von deiner Hand ab? Lehnt sich deine rechte Schulter an eine Wand oder lehnt sich die Wand an deine rechte Schulter?
- Score: Suche dir einen, dann zwei, dann drei Körperteile aus, die Flächen berühren
- Spiele mit den 1-3 Berührungspunkten und wechsle sie immer wieder ab
- Löse dich von deiner greifbaren Umgebung. Wiederhole die Aufgabe, aber berühre dabei mit den Körperteilen die Luft. Wie verändert sich deine Bewegung, wenn die Berührung imaginiert ist?
▷ 2. Phase: Arbeit zu dritt in Breakout-Rooms:
- Stellt euch gegenseitig eure Scores vor. Jeder Score soll nun von jemand anderem interpretiert werden.
- Exploriere mit dem neuen Score. Kamera und Mikro sollten ausgeschaltet sein. Fühle dich mit der Person verbunden, deren Score du tanzt.
- Erzeuge mithilfe der Tools des Padlet eine Art mediale Spur von deiner Exploration, z.B. einen Text mit der Methode des Automatic-writing oder eine Zeichnung, ein Foto, eine Tondatei und speichere sie im Padlet.
▷ 3. Phase: Feeling together
- Schaltet eure Kameras und Mikros an und teilt eure medialen Spuren miteinander
- Wählt eine Spur als Inspirationsquelle für alle drei Personen aus und interpretiert diese Spur mit ausgeschalteten Kameras und ausgeschalteten Mikros.
- Tanzt ein Trio: Versucht, euch miteinander verbunden zu fühlen, auch wenn ihr einander nicht seht, aber ihr wisst, dass ihr euch alle auf die gleiche Spur bezieht (optional zwischendurch Mikro und oder Kamera ein- und ausschalten).
▷ 4. Phase: Sharing experiences
Reflexion zu den Fragen: Wie können wir unsere Gefühle im digitalen Raum teilen? Wie können wir uns verbunden fühlen? Können wir bei der gleichzeitigen Arbeit einer Gruppe ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugen, ohne dass das Zusammensein mithilfe eines Bildschirms sichtbar ist?
Intermediale Reaktion
Beispiel: Arbeit zu viert im Breakout-Room
- Player 1 gibt der Gruppe Input durch Bewegung zu einem selbst gewählten Thema. Player 2 reagiert auf den Bewegungsinput mit Sprache. Player 3 mit Sounds. Player 4 ist Zuschauer:in. Alle Beteiligten durchlaufen alle Rollen und tauschen anschließend ihre Erfahrungen aus.
- Die Bewegungen eines kurzes Tanzsolos werden in Worten beschrieben oder vertont/ in Klänge übertragen und als Audiodatei auf einem Endgerät abgespeichert. Die Audiodatei an eine:n Mitwirkende:n weitergeben, diese:r überträgt die verbale Beschreibung oder die Sounds in eigene Bewegung usw.
Imaginierten Tanz teilen
Beispiel: Trio – zeigen, sehen, hören, beschreiben, interpretieren, teilen
- Person A bekommt von Person B einen Score und entwickelt dazu ein 30-Sekunden-Solo; A zeigt B ihr/sein Solo
- B beschreibt verbal den Tanz von A
- C hört B zu, ohne A zu sehen, sondern imaginiert A.
- C tanzt im Anschluss ein Solo mit Inspirationen aus den vorherigen Informationen. Optional filmt A ihr/sein Solo und teilt mit B den Filmlink per Messenger
Hinweis: Rolle C ist auch für stark sehbeeinträchtigte oder blinde Teilnehmer:innen gut geeignet. Rolle C gelingt auch mit geschlossener Kamera.