Aktionswerkstatt für kommunale Akteur*innen in Baden-Württemberg
Intro
Es braucht mehr Vernetzung, mehr Allianzen und Bündnisse, um geeignete politische Rahmenbedingungen zu entwickeln, eine Qualifizierung sowohl pädagogischer als auch künstlerischer Fachkräfte anzubahnen und mehr kulturelle Teilhabe im Unterricht zu ermöglichen. Basierend auf diesen Erkenntnissen als Teil des umfangreichen Inputs der ersten beiden Tage, legte Tag 3 der Aktionswerkstatt den Fokus auf praktische Überlegungen zur Implementierung von Kooperation zwischen Kunstschaffenden und Schulen in Freiburg und Baden-Württemberg. An diesem Fachtag kamen mehr als 30 Menschen zusammen, die eine gemeinsame Vision teilen und bereit sind, Zeit zu investieren, um Schulen auch als Orte ästhetischer und Kultureller Bildung zu stärken: pädagogisches Fachpersonal (wie Lehrkräfte, Schulleiter*innen, Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen), Kunstschaffende, Politiker*innen oder Akteur*innen, die räumliche Ressourcen zur Verfügung stellen können (in Museen, Theatern und Tanzschulen).
Prozess
Ziel des Tages war es, gemeinsam mit den beteiligten Akteur*innen verschiedener Professionen umsetzbare Vorschläge für Strukturen und Projekte zu entwickeln, um kulturelle Teilhabe im Schulalltag in Baden-Württemberg zu verankern.
Gestaltet wurde dieser Tag in Anlehnung an eine „Learning by Moving” Einheit und zeigte damit einmal mehr, wie kreative Prozesse in den verschiedensten Kontexten funktionieren können. „Learning by Moving“ beschreibt ein pädagogisch-tanzkünstlerisches Format, in dem curriculare Themen aus dem Schulunterricht durch Tanz und den eigenen Körper erfahrbar gemacht werden.
Den Anfang machte zu Beginn des Tages ein „Brain Dance“ geleitet von Maria Pires und Graham Smith gemeinsam mit Mitgliedern des Tanzensemble SoLD („School of Life and Dance“). So kamen an diesem Tag auch die Kinder selbst als Expert*innen des Schulalltages zu Wort.
Durch einen bewegten Start in ein gemeinsames Denken und Handeln kommend, wurde das Museum zu einem Ort der Begegnung und des gemeinsamen Spiels.
Das Konzept erkunden
In der zweiten Phase ging es darum, gemeinsam umsetzbare Vorschläge für Strukturen und Projekte sowie daraus resultierende Antragsvorhaben zu entwickeln und damit kulturelle Teilhabe im Schulalltag zu ermöglichen. Bei der Ideenfindung halfen sieben Thesen zu Gelingensbedingungen von Vermittlungsprojekten aus den Themenfeldern Kooperationen, politische Rahmenbedingungen, Vernetzung und Wissenstransfer, außerschulische Lernorte, ländlicher Raum, „21st Century Skills“, Partizipation oder Instrumentalisierung künstlerischer Praxis. Diese Thesen dienten als Orientierungs- und Leitlinien für die konzeptionelle Gestaltung der verschiedenen Projektansätze. Alle sieben Thesen sollten in ihrer Gesamtheit von den erarbeiteten Projektvorschlägen abgedeckt werden.
Dem „Learning by Moving“ Konzept folgend, beschäftigen sich die Teilnehmenden im nächsten Schritt damit, Partner*innen zu verbinden und unterschiedliche Kompetenzen zusammenzubringen.
Erstellen einer eigenen Komposition
In der daran anschließenden Phase lautete die Aufgabe nun, in diesen neu entstandenen Bündnissen und Bezug nehmend auf die Thesen möglichst konkrete Projektideen und -angebote zu skizzieren und zu formulieren. In den Mittelpunkt stellten dabei alle Projekte die These der Relevanz qualitätsvoller Kooperationen.
Viele der entwickelten Ideen legten einen Fokus auf Vernetzung, Wissenstransfer und Qualifizierung, sei es bei der Gründung eines spartenübergreifenden Kompetenzzentrums der Kulturellen Bildung oder bei der Implementierung von Kultureller Bildung durch Tanz in Hochschulen, spezifisch in der Lehrkräfteausbildung. Andere Konzepte konzentrierten sich auf die Weiterentwicklung und Systematisierung vorhandenen Wissens, wie z. B. die Fortbildungsreihe „Learning by Moving“, die Unterrichtsinhalte durch Tanz und den eigenen Körper erfahrbar macht.
Mehrere Projekte wollten Werte wie Gleichheit, Diversität und Integration in künstlerischen Ansätzen stärken und setzten auf Demokratiebildung, Empowerment und Partizipation/Beteiligungsprozesse. Übergeordnet spielten darüber hinaus Themen wie Interdisziplinarität, die Verbindung von Aktion (selber tanzen) und Rezeption sowie Schulentwicklung und außerschulische Lernorte eine Rolle. Auch Nachhaltigkeit und Ökologie waren relevante Themen in den Antragsideen.
Fazit
An diesem Tag intensivster Zusammenarbeit wurde deutlich, wie viel Wissen und wie viele Ideen und vielfältige Ansätze bereits vorhanden sind – und wie viel Engagement und Begeisterung. Also doch „Bottom-up“! Die Aktionswerkstatt war Bestandsaufnahme und Überblicksangebot und ermöglichte eine breite Vernetzung sowie den Zugewinn neuer Akteur*innen. Gemeinsam wurden neue Ziele und auch neue Fragen erarbeitet:
Kompetenzstellen
Ziel ist es, jedes Bundesland mit Kompetenzstellen zu besetzen, die mit Regionalstellen verknüpft sind, um Kooperationsnetzwerke zu fördern und aufzubauen. Diese sollen Schulen und Vermittler*innen „matchen“, Aktionsangebote umsetzen und Projektmittel verwalten und weitergeben.
Zertifizierung
Als Möglichkeit zur Qualitätssicherung standen Überlegungen zu einer überregionalen Zertifizierung im Raum. Schnell stellte sich hier jedoch die Frage nach der strukturellen Verankerung. Wäre die Zertifizierung mit Universitäten verknüpft, entstünden Barrieren in Bezug auf nicht akademisch ausgebildete Künstler*innen. Auch wäre es ein großer Aufwand innerhalb eines Jahres flächendeckend Partnerinstitutionen zu finden, die Zertifizierungen durchführen könnten. Dagegen stand die Idee einer Art „Blockchain Methode“: Dabei können Interessierte eine Anfrage stellen oder von bereits Praktizierenden eingeladen werden. Sie bekommen dann Informationen und Kontakte zu einer anleitenden Person aus dem Netzwerk, die für die Einarbeitung zuständig sein wird.
Lobby
Im nächsten Schritt braucht es Projektideen, Steuerungsgruppen, Lobbies. Die Zusammenkunft mit Praktizierenden aus verschiedenen Bereichen, vor allem auch aus der Politik, wurde als fruchtbar und vielversprechend erlebt. Ein Austausch über Möglichkeiten und der Input aus dem politischen Feld sind essenziell, um das Potential des GaFöG 2026 auszuschöpfen und Kindern, Familien und einer Gesellschaft der Zukunft die besten Voraussetzungen zu ermöglichen. Lobbyarbeit ist ein noch unterrepräsentierter Aspekt und braucht ausdrücklich mehr Beteiligte, die sich auf professioneller Ebene mit dem Potential der Schnittstelle befassen (sei es in der Forschung, der Politik etc.) und einen Beitrag dazu leisten können, eine Lobby aufzubauen und die Relevanz des Themas zu verdeutlichen.
Verantwortung von Institutionen
Es wird deutlich, dass es nicht ausreicht, Kunstschaffenden die Arbeit der Akquise und Durchführung von Projekten an der Schnittstelle Schule und Darstellende Kunst zu überlassen, so wie es aktuell in den meisten Fällen passiert. Es geht auch darum, als Institution eine Haltung zur aktuellen Krise zu finden und Verantwortung zu übernehmen. Ebenso wenig können Schulen und Lehrkräfte allein die Herausforderung stemmen. Es braucht niedrigschwellige Angebote, ein gesellschaftliches Verantwortungsgefühl und Bewusstsein zur Mitgestaltung einer Lernumgebung, in der Kinder nicht nur „hard facts“, sondern auch „soft skills“ erlernen. Ein Zusammenschluss von Institutionen im Bereich Kunst, Bildung und Politik zusammen mit freien Trägern und Kunstschaffenden ist für eine qualitative und langfristige Umsetzung des GaFöG 2026 notwendig.
Gedankenspiel
„Worldbuilding“ ist der Prozess des Aufbaus einer imaginären Welt oder Umgebung, manchmal verbunden mit einem fiktiven Universum. Die Entwicklung einer Welt mit kohärenten Eigenschaften wie Geschichte, Geografie, Kultur und Ökologie ist für viele Science-Fiction- oder Fantasy-Autoren eine Schlüsselaufgabe. Was wäre, wenn wir entscheiden könnten, wie unsere Welt wäre? Nach der Devise „handeln statt meckern”, geht es darum, konstruktiv und progressiv in die Zukunft zu schauen, aus einer professionellen Position heraus zu überlegen, was verändert werden kann und Verantwortung dafür zu übernehmen.
Multiprofessionelle Teams
Und hier schließt sich der Kreis, denn Ressourcen und Potentiale können dann entstehen, wenn Praktizierende aus allen beteiligten Professionen zusammen an einen Tisch kommen und sich verantwortungsvoll für ein Miteinander und für die Gesellschaft einsetzen.
Alle Fotos: © Marc Doradzillo